Warum macht man sowas – oder: Wanderfahrt auf dem Main

Wanderrudern   26. Oktober 2014  

„Warum macht so was“, fragte mich eine Kollegin, nachdem wir uns über die Wochenendplanungen am letzten Oktoberwochenende (26.10.2014) unterhielten. Ich hatte ihr erzählt, dass ich am Sonntag um 5 Uhr aufstehen werde, um mit vier Mitruderern mehr als 35 km den Main von Aschaffenburg aus hinauf und anschließend wieder hinab zu rudern.

Also stand ich am Sonntag Morgen um kurz nach 6 Uhr am Parkplatz in Marbach. Kerstin aus Lauffen war schon da. Da kam die Frage wieder: „Warum… ach was, jetzt ist es eh zu spät“. Erstaunlicherweise waren alle – Ingrid, Axel und Frank – pünktlich zur abgesprochenen Zeit am Treffpunkt; schnell waren unsere Sachen in Axels Auto geladen. Frank wollte noch kurz zwei Haken zum Schleusen holen, kam dann aber wieder etwas blass zurück, da er beinahe über ein paar Unbekannte stolperte, die unerwarteterweise im Bootshaus nächtigten.

Axels Navi führte uns recht bald von der Autobahn, so dass wir den Rest der Strecke „in the middle of nowhere“ (=> landschaftlich reizvoll) nach Aschaffenburg fuhren. Wir kamen zur geplanten Zeit an und die Aschaffenburger waren auch schon da, so dass wir unser Boot zügig in Empfang nehmen konnten und nach dem Beladen auch ohne Warten starteten.

Unser erstes Etappenziel war die Staustufe Obernau, knappe 5 Kilometer mainaufwärts. Um die frühe Stunde teilten wir uns den Main nur mit ein paar Wasservögeln, es ging vorbei an mittelalterlichen Dörfern und teilweise recht herrschaftlichen Häusern. Wie schon erwähnt, da es meine erste Wanderfahrt war, erwartete mich dann auch mein erstes Mal Schleusen. „So spektakulär kann das ja nicht sein, wird halt so sein wie auf dem Neckar“, dachte ich. Natürlich gibt es Kammern, wie man sie vom Neckar kennt, aber auf dem Main gibt es extra Sportbootschleusen, die sind so schmal, dass ein Ruderboot nur mit beidseitig Ruder lang hineinpasst und dementsprechend wackelig ist das Ganze. Dass der Steuermann (Frank) zuvor auch noch das Boot verließ, steigerte das Vertrauen in die ganze Geschichte auch nicht wirklich! Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt: Einer musste die Schleuse bedienen.

Die nächsten knapp 8 Kilometer ging es weiter bis zur Schleuse Wallstadt. Beim Ablegen hatte uns jemand aus Aschaffenburg noch darauf hingewiesen, dass die Sportbootschleuse dort außer Betrieb sei. Ein entsprechender Anruf bestätigte dies, jedoch schleuste uns ein netter Schleusenwärter in der „großen“ Schleuse exklusiv, so dass es ohne nennenswerte Verzögerung weiter gehen konnte. Nach der Schleuse wurde noch der Steuermann gewechselt, und so ruderten wir noch Mal gut 6 Kilometer bis zum Jachthafen Erlenbach – unserem Mittagspausenziel und Umkehrpunkt. Bei einem fürstlichen Picknick konnten wir die Pause genießen: Kerstin hatte für jeden ein „Tupperle“ mit Nudelsalat und Blättersteigschnecken dabei, Ingrid verwöhnte uns mit Brownies und Axel hatte leckeren Schokoladenkuchen (von seiner Frau) dabei. Obwohl wir uns unangemeldet auf der Wiese des Jachtklubs niederließen, durften wir ihre Toiletten benutzen. Nach einer feudalen, aber etwas kurzen Pause ging es auf den Rückweg, wieder mit Steuermann/-frau-Wechsel.

Auf Nachfrage bei der Schleuse Wallstadt, wann sie uns schleusen würden, teilte man uns mit: „Entweder in 15 Minuten alleine oder warten und mit einem Schiff gemeinsam“. Ingrid auf Schlag hatte wohl statt 15 Minuten zehn verstanden, und so ging es flott in Richtung Wallstadt, wo wir alleine „runtergelassen“ wurden. Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber mit der Strömung ging es doch deutlich leichter. Wir lagen so gut in der Zeit, dass wir an der letzten Schleuse Obernau bei einer kleinen Pause noch einen Teil des Kuchens vertilgen konnten. Diesmal schleuste uns Ingrid hinab. Meines Wissens machte sie das zum ersten Mal und meisterte das souverän. Die restlichen Kilometer gingen dann relativ zügig zurück bis nach Aschaffenburg. Am Schluss waren es insgesamt 38 Kilometer!

Nach dem Duschen und Bootaufräumen ging es nach Aschaffenburg „Downtown“ zum wohlverdienten Abendessen. Bei Ziegenkäse, gebratenen Pilzen, Pute, Krustenbraten und Tafelspitz wurde das letzte Kaloriendefizit (sofern es nach der Kuchenorgie überhaupt noch eines gab) ausgeglichen. Mit etwas Stau waren wir dann um etwa 21:30 Uhr etwas müde, aber zufrieden zurück in Marbach.

Bleibt noch die Frage, wieso macht man so etwas? Vielleicht, weil man mit netten Leuten einen erstklassig organisierten Sonntag bei perfekten Wetter und spitzenmäßig verpflegt in einem unbekannten, aber schönen Ruderrevier verbringen will!

Wolfram Veigel