Kentern mit der Feuerwehr und dem DLRG – Wassersport und potenzielle Retter

Vereinsleben   31. Juli 2019  

Wassersport, Spaß und potenzielle Retter
 
Marbach Der Übungstag der Wasserrettung ist eine Riesengaudi gewesen – für Teilnehmer und Zuschauer. Bericht: Cornelia Ohst
Ein letzter Klick und auch die Rettungsweste ist fest verschlossen. Feuerwehrmann Nico Scheich, der Schutzhelm und Neoprenanzug sowie Handschuhe und Füßlinge aus dem gleichen Material trägt, zurrt noch einmal an dem gelben Ding, das nicht nur Signalwirkung hat, sondern auch der Schutz- und Auftriebswirkung im Wasser dient. Ein Messer steckt geschützt in der Weste. „Falls wir im Ernstfall Äste oder anderes aus dem Weg schneiden müssen“, sagt Scheich, der von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) zum Rettungsschwimmer ausgebildet wurde. Für den 24-Jährigen fühlt sich der Anzug „wie eine zweite Haut“ an. Einsatzleiter Michael Kienzle von der Feuerwehr Marbach blickt gemeinsam mit dem Feuerwehrkommandanten Alexander Schroth, wenige Meter von Scheich entfernt, auf den Neckar. Dort herrscht buntes Treiben: Einer-und Zweier-Boote vom Ruderverein Marbach treiben gemächlich vor sich hin. Die Sonne tanzt mit abertausenden Glitzersteinchen auf der Wasseroberfläche. Am Steg warten Ruderer und schauen zu, wie ihre Vereinskollegen, die bereits in den Booten sitzen, ihre erste Begegnung mit dem kühlen Nass haben.
 
Es ist der jährliche Übungstag der Wasserrettung, der die Feuerwehr, das DLRG und die Ruderer an diesem Montagabend gemeinsam aktiv werden lässt. Zwar ist das DLRG in erster Linie für die in Not Gekommenen im Wasser zuständig, „aber wir liegen viel näher am Neckar und werden deshalb auch alarmiert“, sagt Kienzle, der erzählt, dass seine Leute lediglich für die „Oberflächenrettung“ zum Einsatz kommen. Muss getaucht werden, sind die Taucher vom DLRG gefordert. „Alles, was wir im Wasser machen, ist mit ihnen abgestimmt“. Bevor aber das Training startet, werden die Teilnehmer von Achim Maier gebrieft. Der Fachmann teilt ihnen mit, welche Tücken der Neckar hat und welche Gefahren auch die Schifffahrt mit sich bringt. Viel Zwischenraum zu großen Schiffen zu halten, ist beispielsweise lebenswichtig, damit der Sog den Ruderer nicht erfasst.
 
Als es schließlich losgeht, herrschen ideale Wetterbedingungen, um in den Neckar einzutauchen. Und um „Situationen zu trainieren, die hoffentlich in unserem Rudererleben nicht vorkommen, aber auch nicht völlig unrealistisch sind“, erklärt Vereinstrainerin Heike Breitenbücher das lebendige Szenario, das wie eine Riesengaudi wirkt und auch die Zuschauer anlockt. Durch die Unterströmung im Neckar, aber auch durch Hitzschlag, Ohnmacht oder gar Schlaganfall lauern Gefahren für den Ruderer. Situationen, die auch von den Rettungskräften regelmäßig trainiert werden müssen.
 
Immer wieder kommt es vor, dass ein Boot kentert. Die Ruderer-Frischlinge Kalle und Luis etwa hatten noch vor einer Stunde mächtig Respekt davor. Doch das Kenter-Training zeigt, dass die Angst spielerisch abgebaut wird. „Das Gehirn kann viel besser lernen, wenn es nicht unter Stress steht“, weiß Breitenbücher, die erfahren hat, dass ihre Ruderer in den Übungssituationen recht lässig reagieren. Kalle und Luis jedenfalls warten schon ungeduldig darauf, ein zweites Mal „über Bord“ zu gehen.
Was den Feuerwehrleuten an diesem Abend aber besonderen Spaß bringt, ist zum einen das hohe Wellen erzeugende Rettungsboot RTB II – und für die Rettungsschwimmer der Fluss. Harald Abt etwa gibt sich äußerste Mühe, schwungvoll an die hilflosen Opfer heranzubrausen. Das neue Boot ist schnell, aber auch auf Kraft ausgelegt. Schnittig prescht es an die Ruderer heran und gleitet rasch an ihnen vorbei. Die sich ausbreitenden Wellen jedoch attackieren die Boote und bringen sie zum Schaukeln. Ehrgeizig balancieren sich die Ruderer zunächst noch aus, die bereits auf den Sitzen stehen. Doch es hilft nichts: den hohen Wellen ergeben, landen sie im kühlen Gewässer. Und genau darauf haben die Rettungsschwimmer gewartet: Sie nämlich sollen die Gekenterten mit dem klassischen Rettungsgriff zum Feuerwehrboot schleppen, wo diese vom Wasser aus über die ausklappbare Bugklappe in die Sicherheit klettern und schließlich wieder an Land gebracht werden. Andere, wie etwa Rosanna Profittlich, haben den Ehrgeiz, ohne Hilfe zurück ins eigene Boot zu klettern. Die anderen geizen nicht mit Tipps. „Nimm das andere Bein nach oben“, hallt es gut gemeint übers Wasser. Doch das Boot wackelt viel zu sehr. Schwupps, und der Arm des Rettungsschwimmers greift auch nach Rosanna. Oberstes Gebot für alle Ruderer ist: Wenn möglich, kein Wasser schlucken. Der Neckar ist schließlich kein Badegewässer. Und weil ohne Schwung und Bewegung zu kentern, ganz schön schwierig ist, helfen die schwimmenden Floriansjünger begeistert nach. Was die Wellen nicht schaffen, erledigen sie: Heftig schaukeln sie den Einer am Heck, bis der Ruderer keine Chance hat. Und ab geht’s ins erfrischende Nass. Franziska Preiß hat es tatsächlich geschafft: Die 18-Jährige ist zurück in ihr Boot geklettert. Jetzt noch den Skull richtig positionieren und weiter geht’s.
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Für das nächste Jahr und das nächste Kentertraining hätte ich noch einen ganz persönlichen Wunsch: unsere Kinder und Junioren üben das Kentern an diesem Termin intensiv! Es wäre mir ein besonderes Anliegen, dass sich die Erwachsenen im Breitensport angesprochen fühlen würden. Gerade diejenigen, die im Einer oder Rennzweier auf dem Wasser sind, sollten diese Situationen mal in geschütztem Rahmen geübt haben. Man kann sich nicht blamieren, man wird halt nass – na und: es hatte 34 Grad! Doch man kann sich vorbereiten auf Situationen, die man sich zwar nicht wünscht, aber „Shit Happens“ – und dann ist ein cooles, professionelles Reagieren ein Pluspunkt!