Marbacher Süßwassermatrosen rudern in Hamburg

Wanderrudern   19. November 2023  

Den Marbacher Ruderverein hat es im Oktober für einige Tage zum Rudern nach Hamburg verschlagen

Schon immer wollte ich mit meinen Wanderruderern einmal in Hamburg rudern. Die Aussicht auf Landungsbrücken, Alster, Speicherstadt und Hafen – vorzugsweise im Ruderboot – all das sollte doch einen jeden Ruderer locken.

Die Anfahrt mit eigenen Booten erscheint zu aufwändig; der freundliche „Alsterruderverein Hanseat“ (ARV) stellt uns Boote und in Aussicht, uns auf den anspruchsvolleren Gewässerabschnitten zu führen, schließlich gilt es, Wetter, Strömung, Gezeiten und nicht zuletzt den Schiffsverkehr zu berücksichtigen.

Die Alster wird vom ARV als so harmlos angesehen, dass man uns Landratten hier alleine losziehen lässt. Zuerst ist der Plan, die Alster so weit wie möglich aufwärts zu rudern – dem Vernehmen nach wird sie sehr flach und sehr eng – doch die ARVler haben Angst um ihre Boote, und so fahren wir nicht weiter als bis zur Fuhlsbütteler Schleuse. Auch bis dorthin gibt es genügend zu sehen und zu rudern, und die Alster hat mehr schmale Seitenkanäle durch dekadente Villenviertel als man an einem Tag schaffen könnte. Es ist bitterkalt und stürmisch. Die Steuerfrau ist angezogen, als wolle sie an einer Antarktisdurchquerung teilnehmen – und friert trotzdem noch. Um die Mittagszeit zwingt uns ein kurzes Gewitter mit Hagel an Land; auf der Außenalster – in Sichtweite – kentert bei einer Segelregatta im Sturm ein Boot und provoziert einen Einsatz der Rettungskräfte. Der Hochwasserschutz der Alster bewahrt uns vor der Sturmflut im Hamburger Hafen; der Fischmarkt steht unter Wasser.

Am nächsten Tag ist der harmlose Part vorüber, für jede weitere Ruderei benötigen wir sachkundige Begleitung. Beim ARV findet sich nun doch kein Führer; wir laden uns stattdessen bei der Wanderrudergesellschaft „Die Wikinger“ an der Elbe ein: Man macht mit uns eine nächtliche Ruderfahrt durch die Speicherstadt. Es ist weiter stürmisch und regnerisch, Böen bis 80 km/h sind angekündigt. Rudern auf der Elbe erscheint zu riskant; wir queren nur schnell die gruselig-dunkle Norderelbe und haben dann in der Speicherstadt spiegelglattes Wasser und die Kanäle nahezu für uns.

Im Bootshaus der Wikinger sind alle Boote auf ihren Lagern mit Spanngurten festgebunden. Rechnen die hier mit Erdbeben? Nein, aber die Sturmflut kann jederzeit unter dem Hallentor durchkommen und alles in der Ecke zu einem Haufen auftürmen was nicht fest angebunden ist.

Tag 3. Wir sind zum Abrudern beim „Ruderclub Süderelbe“ eingeladen. Abrudern bedeutet hier: Viel rudern und danach gemeinsam grillen. Das Wetter ist weiter unbeständig und stürmisch; die geplante Große Elbinselrunde fällt aus. Wir machen stattdessen eine Hafenrundfahrt im Ruderboot. Mit fallendem Wasser geht es die Süderelbe abwärts. Gleich nach der Alten Harburger Elbbrücke beginnt der Seehafen. Zugegeben, das eine oder andere Schiff, das hier fährt oder liegt, würde wohl nicht unter einer Neckarbrücke hindurchpassen, aber insgesamt hätten wir doch mehr erwartet. Ab dem Container-Terminal Altenwerder ändert sich dies: Große Containerschiffe liegen am Kai und werden mit den Verladebrücken be- oder entladen. Im Bereich dahinter fahren die Container wie von Geisterhand gesteuert auf ihren fahrerlosen Transportfahrzeugen durch die Gegend. Wir rudern weiter, unter der Köhlbrandbrücke und durch die Rugenberger Schleuse hindurch, in den Waltershofer Hafen und können uns über die Schiffsgröße nun endgültig nicht mehr beschweren: größer geht es nicht. Die Stahlwände der Kolosse, an denen wir in dichtestem Abstand vorbeifahren, sind unbeschreiblich. Der quietschpinke Berg mit dem Namen „ONE Innovation“ zählt zu den größten Containerschiffen der Welt. 400 m lang, über 60 m breit und in der Lage, über 24.000 Container zu transportieren – wäre dafür die Elbe nur tief genug.

Mit dem Einsetzen der Flut kehren wir wieder zum Ruderverein zurück, jetzt ist Grillen angesagt! Drei wundervolle Rudertage. Wobei, ein Wermutstropfen bleibt: An den Landungsbrücken sind wir ja nun doch nicht vorbei gerudert. Das nächste mal dann…

Frank Hofmann