Wieder in Polen: Wanderfahrt auf den Masurischen Seen

Wanderrudern   30. Oktober 2017  

Jedes Jahr im Sommer steht beim Marbacher Ruderverein die einwöchige Wanderfahrt irgendwo in Deutschland oder Europa an. Jedes Jahr steht man vor den Mühen der Fahrtplanung und -organisation. Dieses Jahr hat es sich Wanderruderwart Jürgen Stalbohm wieder einfach gemacht: Er überlässt die Durchführung der Fahrt den fähigen Händen von Łukasz Kaczmarek vom Ruderverein RV Tryton Poznań (Posen), dessen Fahrten stets bestens organisiert sind.

Allein die Anreise nach Ostpolen, nach Mikołajki (Nikolaiken), mit diversen öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein Abenteuer für sich. Zu guter letzt sind jedoch alle ca. 30 Ruderer, die die Masurischen Seen befahren wollen, vor Ort eingetroffen.

Wegen kurzfristiger Absagen mehrerer Hotels, wie sie wohl nur in Polen vorkommen können, muss die Fahrt in letzter Sekunde umgeplant werden (polnisch: „kombinować“): Anstatt die geplante Strecke mit täglich wechselndem Quartier zu befahren, haben wir nun 2 Standquartiere in Mikołajki und Wilkasy (Willkassen) und machen Sternfahrten, was angesichts der vielen verzweigten Seen auch kein Problem ist.

Der Reiseführer gibt an, dass die Masurische Seenplatte aus über 3.000 Seen besteht. Ganz so viele befahren wir nicht, aber es trotzdem noch genug: Jezioro Mikołajskie (Nikolaiker See), Jezioro Bełdany (Beldahnsee), der Fluss Krutynia (Krutinna), Śniardwy (Spirdingsee, der größte See Polens), Jezioro Talty (Talter See), Jezioro Tałtowisko (Kleiner Talter See), Jezioro Szymon (Schimonker See), Jezioro Jagodne (Jagodner See), Jezioro Niegocin (Löwentinsee), Jezioro Dargin (Dargeinensee), Jezioro Sztynorckie (Steinorter See), Jezioro Kirsajty (Kirsaiten-See), Jezioro Mamry (Mauersee), Jezioro Święcajty (Schwenzaitsee), Jezioro Stręgiel (Groß Strengelner See), Jezioro Pozezdrze (Possessern-See), Jezioro Wilkus (Wilkussee) und zuletzt der Jezioro Gołdopiwo (Goldapgar See) sind die Seen, die wir unserer Liste der schon beruderten Flüsse und Seen hinzufügen können.

Es herrscht perfektes Ruderwetter: Nicht zu heiß, immer etwas bewölkt, aber kein Regen. Viel mehr zu schaffen machen uns die vielen Sportboote, die für reichlich Verkehr und vor allem Wellen sorgen und den Steuerleuten einiges abverlangen. Der Wind tut auf den großen, offenen Wasserflächen sein Übriges.

Überhaupt ist der Süden der Masurischen Seenplatte sehr touristisch geprägt, was so gar nicht in unser Bild der einsamen, naturbelassenen Seenlandschaft passen will. Erst als wir weiter in den Norden kommen, wird der Schiffsverkehr weniger, die Kanäle zwischen den Durchfahrten enger. Teilweise haben wir nun den ganzen See für uns alleine – freilich hat das auch seine Nachteile: Ohne regelmäßigen Verkehr wuchern die schmalen Durchfahrten und Verbindungswege mit üppiger Schilfvegetation zu. Gegen Ende der Fahrt brechen wir uns mit den Booten stundenlang ein neues Fahrwasser durch‘s Schilf; an den wenigen Stellen wo man doch frei rudern kann sind die Flussbiegungen so eng, dass das Boot auf der Stelle drehen muss um dann den nächsten Durchlass im undurchdringlichen Schilf zu finden (Das Wort „Kurve“ sei hier vermieden, hat es doch Ähnlichkeit mit einem recht derben Ausdruck der polnischen Sprache).

Kultur muss auch sein: Am ruderfreien Tag bestaunen wir die Wolfsschanze, gönnen uns ein Orgelkonzert in der barocken Wallfahrtskirche Heiligelinde und erfahren schließlich noch einiges über das Wirken des Deutschen in Ryn (Rhein).

Die Fahrt ist wieder einmal schneller vorüber als gedacht, doch die Fortsetzung in Polen ist schon in Planung: Die Obere Wisła (Weichsel) von Kraków (Krakau) bis Warszawa (Warschau) steht vielleicht nächstes Jahr auf dem Programm.

Frank Hofmann