„Pudern auf der Mosel“ – Wanderfahrt mit Startproblemen

Wanderrudern   19. August 2022  

Die Geschichte dieser Wanderfahrt beginnt ähnlich wie die von den zehn kleinen Negerlein. Von ursprünglich zwölf Teilnehmer fallen nacheinander vier aus wegen Krankheit, darunter auch der Fahrtenleiter. Was tun? Heike erklärt sich bereit, Frank zu vertreten, und in einer Telefonkonferenz beschließen alle „Das kriegen wir hin, wir fahren trotzdem!“ Erst einmal muss einiges umorganisiert werden, Hotelzimmer werden storniert, die Anreise auf Sonntag verlegt, weil mit Frank der einzige Hängerfahrer des Samstags ausfällt. Samstagnachmittag wird der Hänger beladen (Danke Michael fürs Überprüfen!), dann startet das Damen-Quartett in Richtung Trier und trifft sich dort mit Anke, dem Gast aus Karlsruhe. Die Herren kommen Sonntag mit dem Hänger nach.

Die ursprünglich geplante Ruderstrecke wird um zehn Kilometer von Konz bis Trier verkürzt, weil wir ja erst nach dem Aufriggern nachmittags am Tag auf’s Wasser kommen. Aber dann läuft’s! Acht Ruderer, zwei Boote und zwei Autos – jeden Tag aufs Neue jonglieren: wer rudert, welches Auto steht wo und kommt wie ans Ziel? Brauchen wir einen Landdienst oder nehmen wir unser Vesper mit ins Boot? Oder gibt’s ünerhaupt keine Mittagspause, weil die Tagesetappe zu kurz ist?

Erstes Etappenziel ist der Sportboothafen „Moselherz“ in Pölich. Die Fahrtenbeschreibung spricht von einer Slipanlage in der Hafeneinfahrt, aber Gottseidank liegt ein wunderbarer Rudersteg vor der Einfahrt direkt an der Mosel. Die Liegeplätze müssen wir uns mit vier Vierern aus Homberg teilen – diese Ruderer sollten uns später begegnen. Hans-Martin hat vorab schon ausgekundschaftet, dass wir mit dem Bus nach Trier zurückkommen, dank des Neun-Euro-Tickets ein preiswertes Vergnügen. Dort steigen wir so aus, dass wir noch eine Kirche von Balthasar Neumann besichtigen können, während Werner den Bus holt und uns dann ins Hotel fährt.

Als wir am nächsten Morgen wieder beim „Moselherz“ eintreffen, legen die Homberger gerade ab. Wir sehen uns an der nächsten Schleuse wieder. Die Bootsschleusen auf der Mosel sind für Neckarruderer etwas gewöhnungsbedürftig, aber nicht nur für die, wie wir bald merken. Die großen Schiffe und die kleinen Boote haben jeweils ihre eigenen Schleusenkammern. Sportboote fahren an eine grüne Stange hin, die an der Kaimauer außerhalb der Kammer aus dem Wasser ragt, man zieht einen Hebel, um die Schleusung anzufordern, und wartet auf Grün. Eine digitale Anzeige informiert, was gerade passiert und wie lange das noch dauert.

Die ersten beiden Homberger Boote sind in der Schleuse, die anderen beiden warten noch. Und dann sind erst wir an der Reihe. Also Erkundungsgang, ob wir auch umtragen könnten. Einen Bootswagen gibt’s nicht, aber zu siebt tragen ginge vielleicht – wenn da nicht das Einsetzen auf der anderen Seite wäre. Es gibt zwar eine wunderbare breite Treppe zum Wasser, aber die Mosel liegt etwa einen Meter tiefer als sonst in ihrem Bett. Boot fallen lassen und Hinterherspringen ist natürlich keine Option. Also zurück und warten. Die Homberger warten auch noch. Wie sich hinterher herausstellt, wollten ihre Kumpels besonders nett sein und haben in der Schleusenkammer unten beim Rausfahren eine Schleusung angefordert. Dummerweise wäre die von unten nach oben gegangen – da war bloß niemand. Als es der Schleusenwärter das merkt, bittet er die Wartenden, oben den Hebel zu ziehen, damit wieder Wasser in die Schleusenkammer einläuft. „Haben wir doch schon!“ Es dauert eine ganze Weile, bis sie das Prinzip verstanden haben und nachgeben,

Für uns heißt das Zwangspause, ca. eine Stunde, direkt neben einem dicken hellgrünen Algenteppich. Die enge Schleusenkammer ist auch nicht jedermanns Sache. Es wird kippelig im Boot, weil kein Platz in der Kammer ist, um mit den Skulls zu stabilisieren,

manches Mal kommt die Bordkante der Wasseroberfläche gefährlich nahe! Bis zum Ende der Fahrt werden wir da aber auch eine gewisse Routine entwickelt haben.

In Bernkastel-Kues schlafen wir zum Teil im Hotel, zum Teil im Bootshaus, dort wieder in Gesellschaft von einigen Hombergern! Auch abends landen wir im selben Restaurant. Wir lassen der Gruppe am nächsten Morgen den Vortritt beim Ablegen, damit es an der Schleuse nicht wieder einen Stau gibt. Das klappt auch weitgehend. Rechts und links der Mosel ragen die Weinberge auf, noch sieht alles grün aus an den Rebhängen. Dazwischen immer wieder Sonnenuhren und die Namen der Lagen, die man vom Boot aus gut lesen kann. Die bekannteste dürfte wohl der „Kröver Nacktarsch“ sein.

Es ist warm, aber noch nicht zu warm. Das soll sich allerdings die nächsten beiden Tage ändern. Bammel bei der Plötzlich-Fahrtenleiterin-Gewordenen: „37 Grad sind kein Pappenstiel. Was ist, wenn jemand umkippt bei der Hitze?“ Hans-Martin hat den rettenden Vorschlag: der nächste Tag wird doch kein kompletter Ruhe- und Kulturtag, sondern nur ein halber. Wir rudern eben erst abends und nur die halbe Strecke, die, die geplant war bis zur Mittagspause am Donnerstag. Und auch der wird nur ein halber Rudertag, wir gehen ebenfalls erst abends aufs Wasser. Die Abendetappen sind richtig erholsam nach der Hitze tagsüber. Die Homberger, erfahren wir am Telefon, sind trotz der Hitze die 40 Kilometer von Bernkastel-Kues bis Zell in einem Rutsch durchgerudert. „Die waren ziemlich gemulcht,“ sagt der Zeller Ruderer, der uns erlaubt, die Boote dort nachts auf der Wiese zu parken.

Damit uns tagsüber das Hirn nicht komplett eintrocknet, besichtigen wir einmal Weinkeller in Traben-Trarbach, das andere Mal fahren wir zur Geyerlay-Brücke im Hunsrück, der mit 360 Metern längsten Hängeseilbrücke in Deutschland. Der Weg dorthin führt größtenteils durch den Wald, was uns sehr entgegenkommt. Das Laufen auf der Brücke ist ähnlich kippelig wie ein Boot in der Schleusenkammer, zum Glück gibt es hier aber Geländer…

Danach geht unser Programm weiter wie geplant. Wir rudern nach Cochem und machen auf der Uferpromenade Mittagspause – ist schon fein, wenn man von einem gedeckten Tisch erwartet wird – Landdienst zu haben hat definitiv was für sich! Abends legen wir in Treis-Karden an, fahren mit unserem Bus nach Koblenz und verteilen uns wieder auf Hotel und Bootshaus (ausnahmsweise Stockbetten statt Isomatten). Der Tipp der Koblenzer Rudervereinsdame, wo wir essen gehen könnten, falls der Grieche im Bootshaus keinen Tisch mehr für uns frei hat, erweist sich als Glücksgriff. Die Speisekarte ist so anders mit so vielen einfallsreichen vegetarischen und Fleischgerichten, dass wir glatt am nächsten Abend noch einmal wiederkommen. In der vorletzten Schleuse vor Koblenz haben wir inzwischen so viel Routine, dass wir sogar spontan ein Geburtstagsständchen für unseren kranken Fahrtenleiter aufnehmen, während wir nach unten schaukeln.

Der vorsichtige Vorschlag, ob wir nicht wenigstens mal unsere Bugspitzen in den Rhein stecken könnten, wird allerdings abgelehnt. Der Rhein hat schon ziemlich wenig Wasser, in der Moselmündung kommen nach der letzten Schleuse Kiesbänke zum Vorschein, nur eine schmale Fahrrinne ist noch vorhanden für die Schiffe, die in die Mosel oder den Rhein wollen. Das Deutsche Eck besichtigen wir dann doch lieber zu Fuß, bevor wir nach acht Tagen wieder nach Marbach aufbrechen.

Fazit: Erstens ist es schöner, wenn nicht alle Pläne kurz vor der Fahrt über den Haufen geschmissen und modifiziert werden (müssen), sondern man sich auf alle Angemeldeten freuen kann, zweitens ist es angenehmer, mit zwei gleich großen Booten unterwegs zu sein, also zwei Vierern statt einem Vierer (der teilweise mit Loch gerudert wurde) und einem Zweier, und drittens ist es viel entspannter, mit Landdienst, am besten zwei Personen, zu fahren. Dann muss kein Gehirn trotz Rosinentendenz logistische Knoten lösen, wie zwei

Boote, ein Vesper, zwei Autos, ein Hänger und acht Personen vom Start zum Ziel kommen. Danke an alle, die da mitgedacht und mitgemacht haben!

PS: „Pudern auf der Mosel“ stammt aus einer Handy-Nachricht an eine daheim gebliebene Familie über einen Rudertag, die von der offensichtlich nicht sehr sportlichen Autokorrektur verschlimmbessert wurde…

Heike Lüttich