Berlin – mal anders …

Wanderrudern   20. Mai 2023  

Eigentlich handelt es sich mittlerweile um einen Breitensport-Klassiker, den viele Wanderruderer schon kennen werden: die Berlin Durchfahrt, an der am 13. Mai sieben Ruderer des MRV teilgenommen haben. Immerhin ist das mittlerweile die größte Wanderruderveranstaltung des Jahres in Deutschland, mit internationaler Beteiligung und dazu noch in einer besonderen Umgebung: die der innerstädtische Spree. Diese Strecke, vorbei am Kanzleramt, Reichstag und Dom ist den Rest des Jahres für ‘muskelbetriebene Boote‘ gesperrt (Begründung: zu viel Berufs- und Ausflugsschifffahrt, zu wenig Rettungsmöglichkeiten, wahrscheinlich auch Sicherheitsbedenken). Die Strecke wird dann nur für ein enges Zeitfenster von 9 bis 14 Uhr an einem Tag im Jahr für Ruderer, Kanuten, SUPs etc freigegeben und entsprechend frequentiert: diesmal waren über 1000 Ruderer von Köln bis Dresden, von der Schweiz bis Dänemark dabei, aber wohl die meisten von Berliner Rudervereinen.

Wir Marbacher ruderten in Booten des Rudervereins Berlin 1878 mit Spandauer Ruderern. Den Kontakt zum Berliner Ruderverein hatte schon vor ein paar Jahren Frank Hoffmann eingefädelt, der die Organisation unsererseits perfekt im Griff hatte. Und so ging es dann morgens beim RVB mit drei Booten los – zunächst sehr entspannt, dann mit zunehmendem Bootsverkehr auf der Strecke zentrumwärts. Nach einem allgemeinen Boots Chaos in der ersten Schleuse kam dann doch etwas Hektik auf, schließlich mussten die Zeiten für die Durchfahrt eingehalten werden. Aber angesichts des strahlendes Wetters machte sich zunehmend eine gute Stimmung breit: Staunen über die imposante Kulisse (Haus der Kulturen der Welt, Bundeskanzleramt, Reichstag, Dom….) mit netten Kontakt zu den anderen Booten z.B. zu einem Boot mit Schweizer Ruderinnen aus Steckborn, die uns gleich zum 20-jährigen Vereinsjubiläum einluden, auch vorbei an einem Boot mit Norwegern in Wikinger-Outfit. Nach der zweiten Schleuse am Ende der Innenstadt Durchfahrt wird die Spree dann breiter: vorbei an East-Side-Gallery, modernen architektonischen Highlights und wild bebauten Uferstücken, der Oberbaumbrücke bis zum Molecule Man. Kurz danach der Treptower Park, wo die Berliner in wunderschöner Natur und fröhlicher Runde den Samstagnachmittag massenhaft genießen. Beim Umrunden der Insel der Jugend (!) wird’s dann noch mal eng durch ein Gewusel von Freizeitschiffchen, Partybooten und Luftmatratzen, bevor es dann wieder durch ruhigere Gewässer in den Außenbereich der Stadt an schicken Rudervereinen vorbei in den Britzer Verbindungskanal Richtung Rudergesellschaft Wiking geht (Übernachtungsplatz der Boote). Von da aus nehmen wir die U-Bahn – wieder ein Vorteil der Großstadt -zurück zum Hotel am Hauptbahnhof. Das Abendessen genießen wir in der wuseligen Stadt und erkunden noch das Nikolai-Viertel und Humboldt Forum.

Am Sonntag geht es dann wieder von der RG Wiking mit den Booten Richtung Nordwesten zurück nach Spandau, vorbei an beeindruckend vielen Grünanlagen. Da sieht man dann Berlins (und Deutschlands) größtes Hotel (Estrel), aber auch Zelte von Obdachlosen unter Brücken. Dann geht’s durch den Landwehrkanal fast ausschließlich entlang baumbestandener Wohnstraßen, vorbei an einem Rosinenbomber der Berlin-Blockade (Außenbereich des Deutschen Technikmuseums), der neuen Nationalgalerie und der Rosa–Luxemburg- Brücke (wo Rasa Luxemburg nach ihrer Ermordung in den Landwehrkanal geworfen wurde), zwischen Zoo und Tiergarten durch, am Charlottenburger Schloss vorbei zurück nach Spandau.

Fazit: Die Berlin-Durchfahrt ist ein Highlight, das man sich als Ruderer nicht entgehen lassen sollte. Ob andererseits von dieser Weltstadt das Ereignis nachhaltig wahrgenommen wird, ist fraglich und letztlich auch wenig relevant und gut erklärbar angesichts eines prall gefüllten Veranstaltungskalenders und des Selenskyj-Besuchs mit entsprechender Hubschraubereinsatz und Straßensperrungen.

Hanno Röder