Marbacher Ruderverein auf Donau unterwegs
Wanderrudern 18. August 2024
Ich habe die letzten drei Nächte praktisch nicht geschlafen. Die Sorge um die Durchfahrt durch die Steinerne Brücke in Regensburg lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Die Durchfahrt gilt als heikel, je nach Wasserstand als gefährlich. Habe ich mir – und noch wichtiger: den Teilnehmern meiner Fahrt – zu viel zugemutet?
Der Marbacher Ruderverein ist auf der Donau zu seiner jährlichen Wanderruderfahrt unterwegs. Wir rudern von Neuburg bis Straubing. Zu den alten Hasen haben sich erfreulicherweise einige Neulinge gesellt. Gleich in Neuburg ist die Strömung beträchtlich; bereits das Ablegen und die ersten Ruderschläge eine Herausforderung. Nur erfahrene Ruderer übernehmen hier das Steuer. Die Fahrt flussaufwärts zur Staustufe Bittenbrunn wird zum Kraftakt, ein Boot scheitert daran und gibt auf. Abwärts geht es dafür umso schneller. In Neuburg, unter der Brücke, fast schon Wildwasser. Danach wird es gemächlicher. Dieses Muster wird sich die nächsten Tage fortsetzen: Nach den Staustufen hohe Strömung, später dann – in der Stauhaltung des nächsten Wehres – fast stehendes Wasser.
In Weltenburg legen wir direkt am berühmten Kloster am Kiesstrand an. Hier werden wir auch übernachten. Am folgenden Morgen ist das Kloster von Polizei besetzt: Auf Kosten der Steuerzahler werden Bayerische Spitzenpolitiker und – wie es scheint – die gesamte Bayerische Polizei nach Weltenburg zur Kabinettssitzung zum Thema Hochwasserschutz gekarrt. Die Ausgaben dafür müssten ausreichen, um viele Kilometer Deich zu bauen. Wir sehen, dass wir weggekommen. Die Polizei legt uns nahe zu verschwinden: Unsere herumstehenden Gepäckstücke machen sie nervös, und außerdem wollen sie die einzige Zufahrtsstraße zum Kloster sperren.
Wir rudern durch den berühmten Donaudurchbruch Richtung Kehlheim, vorbei an der Befreiungshalle. Den Berichten der Mitruderer zu Folge hat uns Herr Söder huldvoll vom Schiff aus zugewinkt; ich selbst kann das nicht betätigen.
In Regensburg gönnen wir uns einen gemächlichen Tag auf der Naab, einem beschaulichen kleinen Flüsschen mit vielen Wehren zum Umtragen. Dann aber folgt der Grund meiner Schlaflosigkeit: Wir nähern uns der Steinernen Brücke. Mittlerweile ist mir so schlecht, dass ich mich am liebsten in eines der bereitstehenden Schöpfgefäße übergeben möchte; freilich sollte ich dies der Mannschaft als Schiffsführer besser nicht zeigen. Wir erreichen den Eisernen Steg, ab hier hat die Mannschaft Anweisung, sich voll aufs Rudern zu konzentrieren: Pausieren, Essen, Trinken, Fotografieren sind ab jetzt streng verboten. Zum Umdrehen ist es zu spät. So knapp vor der Brücke wäre eine Wende unverantwortlich. Ungewöhnlich viele und mächtige Pfeiler zwingend das Wasser nun durch schmale, strudelige Durchfahrten.
Vor der anvisierten Durchfahrt: eine bekannte Querströmung nach rechts. Ich halte mich mit dem Boot zwei Meter weiter links, die Querströmung sollte mich nun genau in die Mitte schieben, ansonsten droht die Begegnung mit dem Pfeiler. Das Manöver gelingt, das Boot schießt genau mittig durch die Durchfahrt. Im Bug quiekt ein Mannschaftsmitglied, ob aus Freude oder Missvergnügen bleibt ungewiss. Das Boot wird von den Strudeln erfasst, nur mit Mühe lässt es sich auf Kurs halten.
Gleich nach der Steinernen Brücke: Die Eiserne Brücke. Am Abend zuvor gab es hier hässliche stehende Wellen, die für ein kleines Ruderboot zum echten Problem werden könnten; nun jedoch haben wir nur leicht kabbeliges Wasser. Ein entgegenkommendes Fahrgastschiff, das nach unserer Meinung hier um diese Uhrzeit eigentlich gar nicht fahren sollte, wartet die Durchfahrt der Ruderboote ab: Würden sich bei dieser Strömung unsere Kurse kreuzen, wäre dies für alle Beteiligten kein Vergnügen.
Die Mannschaft hat die Durchfahrt offenbar spaßiger empfunden als ich und fordert lautstark die Wiederholung. Stattdessen rudern wir zur Beruhigung meiner Nerven ein Stück den Regen hinauf: Sehr flach und kurvig; das eine oder andere Boot sitzt hie und da auf einer Kiesbank auf. Die Donau selbst strömt an der Walhalla vorbei dafür aber wieder kräftig. Wir haben den Fluss weitgehend für uns allein, kaum Berufsschifffahrt ist zu sehen. Die Wirtschaftlichkeit des jungen Main-Donau-Kanals scheint fraglich.
Zum Ende der Fahrt erreichen wir Straubing. Wir legen uns ordentlich ins Zeug; ein Gewitter treibt uns vor sich her. Am Himmel zucken erste Blitze. Alle Boote gleiten am Wehr Straubing durch die Bootsgasse hinunter. Ein letzter Abstecher: ein kleiner Umweg durch den Donau-Südarm an Straubing entlang (wieder sehr flach, mit vielen Kiesbänken und Bäumen im Wasser). Dann endet die Fahrt am Straubinger Ruderclub. An sechs Tagen sind wir 220 km gerudert. Nächstes Jahr die Fortsetzung gen Wien?
Frank Hofmann, Marbacher Ruderverein